In seiner Einführung machte unser regional zuständiger Abgeordneter Sebastian Striegel klar, dass Energiewende und Strukturwandel wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, den daraus folgenden Energiepreisen und der Klimakrise höchste Priorität haben. Diese Prozesse müssen vor Ort nachvollzogen werden und der Strukturwandel muss mehr sein als der Bau von irgendwelchen Logistikhallen, sagte Striegel.
(Pr)Ofen schon vorzeitig aus. Was dann?
Wir wollen, dass der Süden Sachsen-Anhalts und die Region um den Tagebau Profen Energie- und Chemiestandort bleibt. Doch wer starr am Zeitplan Kohleausstieg im Jahr 2034 festhält, setzt den Standort aufs Spiel. Uns ist sehr bewusst: Der Strukturwandel ist für die Menschen im Revier eine Herausforderung, doch er ist notwendig und beschleunigt sich marktgetrieben. Darüber haben wir am 4. Oktober 2023 mit 50 Bürger*innen und Gewerkschafter*innen in Hohenmölsen diskutiert.
Der Staatssekretär für Energie des Freistaates Sachsen, Dr. Gerd Lippold, stellte die derzeitige Lage am Energiemarkt vor. Die Kohlekraftwerke in Deutschland haben im dritten Quartal 2023 wesentlich weniger Strom im Vergleich zum Vorjahr produziert. Es wurde mehr Strom aus erneuerbaren Energien und Gas in Deutschland produziert. Außerdem ist der Import von Strom günstiger als der von deutschen Kohlekraftwerken.
Damit ist klar: Kohlekraftwerke haben ein betriebswirtschaftliches Problem, das sich schnell verschärfen wird. An der Strombörse schreibt Kohlestrom in naher Zukunft ohne Ausnahme rote Zahlen. Dies wird absehbar dazu führen, dass Kraftwerksbetreiber ihre Anlagen stilllegen wollen. Um dies zu vermeiden, sollten die Kohlekraftwerke auf H2-ready Gaskraftwerke umgerüstet werden. So haben die Standorte eine wirtschaftliche Zukunft.
Lippold erläuterte, dass das Kohleausstiegsgesetz derzeit nur ein gesichertes Ausstiegsszenario für 2034 für Profen bietet. Dieses Ausstiegsdatum wird zu spät sein. Schon jetzt ist zu merken, dass die Kohlewirtschaft immer unrentabler wird. Er appellierte an die Player der Region, sich aktiv auf einen Kohleausstieg spätestens 2030 einzustellen und eine entsprechende Anpassung des Strukturfördergesetzes einzufordern.
Unsere Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann kritisierte in ihrer Keynote, dass für die Nachfolgekosten der Braunkohlewirtschaft bisher nicht ausreichend Vorsorge geleistet wird. Derzeit besteht die Gefahr, dass die Kosten nach Ende der Braunkohle auf die Steuerzahler*innen abgewälzt werden. Derzeit fehlt Transparenz bei der Frage, wie viel Geld für diese immense Aufgabe bisher gesichert ist. Um die Gefahr zu bannen, spricht sich unsere Fraktion dafür aus, eine Stiftung zu gründen, um die Finanzierung auf Jahrzehnte zu sichern.
Wichtig sei, sagte Lüddemann, dass die Kohleunternehmen sich auf die Transformation ihres Geschäftsmodells konzentrieren. Nur so können die attraktiven sowie gut bezahlten Arbeitsplätze der Chemie- und Kohleindustrie auch nach dem Kohleausstieg in anderen Branchen erhalten bleiben. Das wird aber nur mit einem erfolgreichen Strukturwandel gelingen können. Deshalb ist es so wichtig, die wirtschaftlichen Realitäten nicht zu leugnen und alles für den Kohleausstieg spätestens 2030 vorzubereiten.
Die besondere Herausforderung für die Region sei, dass demografischer Wandel, Digitalisierung und Kohleausstieg gleichzeitig stattfinden, berichtete Andre Zschuckelt von der Strukturwandel-Stabsstelle des Burgenlandkreises. Dort kommt der Strukturwandel derzeit richtig in Schwung. 432 Millionen Euro stehen für Investition vor Ort bereit und nochmal 50 Millionen Euro für grünen Wasserstoff. Der Kreistag hat bereits alle Vorhaben bestätigt, darunter ein Industriegebiet an der A9 als größte Einzelmaßnahme und den Ausbau der Fernwärme. 70 Prozent der Vorhaben sind im Bereich der Industrie und Wirtschaft vorgesehen, 30 Prozent sollen dafür sorgen, dass sich die Lebensverhältnisse verbessern.
Bei der Veranstaltung waren Vertreter*innen des Betriebsrats der Mibrag anwesend. Kritisiert wurde, dass die Revisionsklausel im Kohleausstiegsgesetz nicht genutzt wird und dass der Kohleausstieg indirekt politisch durch den CO2-Preis getrieben wird. Staatssekretär Lippold entgegnete, dass der CO2-Preis im Emissionshandel nicht festgesetzt ist, sondern sich marktwirtschaftlich bildet.
Weiterhin wurde festgestellt, dass an vielen Orten der Fachkräftemangel ein großes Problem darstellt und sich in den letzten Jahren die Diskussion verschoben hat von „Wie schaffen wir Arbeitsplätze?“ zu „Wie finden wir Arbeitskräfte?“. Diskutiert wurde auch über die Neugestaltung der Netzentgelte und die Möglichkeit, Deutschland in mehrere Strompreiszonen aufzuteilen, damit Regionen mit mehr erneuerbaren Energien wie Sachsen-Anhalt nicht mehr benachteiligt werden.
Die Veranstaltung beendete Sebastian Striegel mit einem Zitat des Ökonomen Jens Südekum: „Das Land, das als erstes die Klima- und Ressourcenneutralität erreicht, hat seine wirtschaftliche Basis auf den Weltmärkten für Jahrzehnte gesichert.“