Petra Mahrenholz, Leiterin des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (KomPass) im Umweltbundesamt Dessau-Roßlau, bestätigte mittels wissenschaftlicher Fakten in Ihrem Vortrag Lüddemanns Eindruck, dass die Folgen des Klimawandels bereits spürbar sind. Mehr Hitzetage, Pollenflug im Januar und seit 2002 sinkende Grundwasserstände beeinflussen das Leben der Menschen negativ und sind durch den Klimawandel hervorgerufen. (Hinweis: Regionalspezifische Infos hierzu finden sich im REKIS-Portal. Die Tatenbank des Kompetenzzentrums stellt 200 Beispiele vor, was auf kommunaler Ebene gemacht werden kann.)
4. Klimawerkstatt: Klimaschutz in der Stadt: Politik muss Rahmen setzen
Die Landtagsfraktion hat am 22. Januar 2020 zu einem Werkstattgespräch eingeladen, um über „Wege aus der Klimakrise – Klimaschutz und -anpassung in Städten“ zu diskutieren. Dass dies äußerst notwendig ist, stellte die Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann in ihrer Einführung ins Thema fest. „Ich war Mitte Januar auf dem Brocken. Dort lag kein Flöckchen Schnee.“ Auch die Dürre in den vergangenen Jahren und der niedrige Pegel der Elbe zeigen an, dass die Klimakrise in Sachsen-Anhalt voll angekommen ist.
Dass Klimaschutz absolut notwendig ist, zeigte Dr. Harry Lehmann vom Umweltbundesamt. Als Teil einer wissenschaftlichen Fachbehörde mit unabhängigem Beratungsauftrag stellte er eine kombinierte Studie vor, welche sechs Szenarien darstellt. Die Ergebnisse machen klar, auf allen Ebenen muss beim Klimaschutz nachgelegt werden. Insbesondere Städte sind in der Pflicht. Fehlentscheidungen bei Stadtplanungsfragen oder für Gebäudestrukturen, die heute getroffen werden, sind Jahrzehnte kaum korrigierbar.
Der klimapolitische Sprecher unserer Fraktion Wolfgang Aldag machte deutlich, dass ohne Klimaschutz und -anpassung die heutigen guten Lebensverhältnisse nicht bewahrt werden können. „Deshalb ist das Ausrufen von Klimanotständen absolut gerechtfertigt“, sagte Aldag. Auch wenn zum Teil ein anderes Wording gefunden wird.
So wie in Osnabrück. Seit Oktober 2019 werden dort alle Beschlussvorlagen der Stadt auf ihre Klimaauswirkungen geprüft. Detlef Gerdts, Leiter des dortigen Amtes für Umwelt und Klimaschutz, stellte die Aktivitäten seiner Kommune vor. Wenn E-Autos angeschafft werden, wird zum Beispiel empfohlen, zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage zu errichten. Mit dem Solarstrom wird die Klimaschutzwirkung vergrößert. Weiterhin gibt es in Osnabrück Fortschritte bei der Photovoltaik auf Gewerbedächern und der vorgeschriebenen Dachbegrünung bei Neubauten. Der städtische Immobilienbetrieb ist beauftragt, für 300.000 Euro im Jahr eigene Photovoltaik-Anlagen zu errichten. Wichtig ist auch der internationale Austausch, beispielsweise mit Japan, Schweden und der Türkei. Denn Klimaschutz kann nur global gelingen.
Einen Baustein dazu stellte Prof. Dr. Jürgen Ruth, Direktor des Instituts für experimentelle Architektur der Bauhaus Universität Weimar, mit visionären Ansätzen in Architektur und Städtebau vor. Besonders eindrucksvoll war die Vorstellung des Ansatzes „urban mining“. Dieser versteht die Stadt als großes Rohstofflager und die Leitfrage ist in diesem Fall nicht, „was brauche ich, um meinen Plan zu bauen“, sondern „was habe ich und was kann ich damit bauen“. Auch in der Verwendung anderer Werkstoffe (insbesondere die stärkere Nutzung von Holz), der Energiegewinnung (zum Beispiel einen Turm, welcher aus der Luft Wasser gewinnt), der Klimaanpassung (eine schwimmende Insel mit Wellenkraftwerken oder vertikale Wälder in Gebäuden) und Partizipation der Menschen gibt es wesentlich weitreichendere Ideen, als heute größtenteils gelebt werden.
In der anschließenden Diskussion wurden zwei Forderungen sowohl von den Referent*innen als auch dem Publikum immer wieder aufgegriffen. Dies war zum einen, dass wieder deutlich mehr mit Holz gebaut werden muss und die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die Förderungen darauf konsequent ausgerichtet werden müssen. Zum anderen muss Klimaschutz als Pflichtaufgabe der Kommunen festgeschrieben werden. Denn nur so werden Vorhaben in diesem Bereich nicht mehr von der Kommunalaufsicht blockiert. Die Forderungen griff auch Cornelia Lüddemann auf: „Wir müssen die Politik so stricken, dass die Menschen vor Ort und die Kommunen Klimaschutz gestalten können. Zum Beispiel müssen wir Förderprogramme umstellen und die Bauordnung ändern.“
Zum Schluss waren sich alle einig, dass auch selbst Projekte mit engagierten Menschen ins Rollen gebracht werden sollten. Denn oftmals folgt das Handeln nicht immer dem Wissen, sondern es entsteht kostbares Wissen erst durch entschlossenes Handeln.