31.07.2024

Dem Gemeinsamen Unterricht endlich Vorrang geben

Die jüngste Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zur Inklusion im Bildungssystem Sachsen-Anhalt von Susan Sziborra-Seidlitz wirft ein entlarvendes Licht auf die Entwicklung der Förderschulen im Land.


Die Zahl der Förderschulen und der Schüler*innen, die in solchen Einrichtungen unterrichtet werden, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Diese Entwicklung steht im starken Gegensatz zu den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention und gefährdet die Fortschritte hin zu einem inklusiven Bildungssystem.

Susan Sziborra-Seidlitz, Sprecherin für Soziales, Bildung, Integration und Gleichstellung unserer Fraktion, bemerkt: „Paragraf 24 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Unterzeichnerländer zu einem inklusiven Bildungssystem. Das bedeutet, dass auch in Sachsen-Anhalt der gemeinsame Unterricht die Regel und die Förderschule höchstens die Ausnahme sein sollte.“

Die Antwort auf die Kleine Anfrage zeigt jedoch, dass in Sachsen-Anhalt in den letzten zehn Jahren unverändert das Gegenteil der Fall ist. Besonders besorgniserregend ist der kontinuierliche Anstieg der Förderschülerinnen und Förderschüler mit dem Schwerpunkt Lernen. Laut der Antwort der Landesregierung hat sich deren Anzahl seit dem Schuljahr 2014/15 um etwa 20 % erhöht, von 4.184 auf 5.025.

Inklusion in der Schule fördert nicht nur die individuelle Entwicklung der Schüler*innen mit Förderbedarf, sondern stärkt auch den sozialen Zusammenhalt und die Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft. Studien belegen, dass inklusiver Unterricht positive Auswirkungen auf das Lernklima und die sozialen Kompetenzen aller Kinder hat. Trotz dieser eindeutigen Vorteile zeigt der Trend in Sachsen-Anhalt in die entgegengesetzte Richtung.

Die steigenden Zahlen der Förderschulen und der Schüler*innen in solchen Einrichtungen werfen zudem die Frage auf, ob die Beratungs- und Unterstützungssysteme für Eltern und Schulen ausreichend sind. Der vermehrte Wunsch nach Förderschulen deutet darauf hin, dass viele Eltern keine ausreichenden inklusiven Angebote in den Regelschulen vorfinden oder das Vertrauen in diese verloren haben.

„Eine Sonderbeschulung gefährdet die Chancen der Kinder auf ein inklusives und selbstbestimmtes Leben. Die Förderschulbesuchsrelation bleibt mit Werten zwischen 6,4 % und 6,0 % über die letzten zehn Jahre konstant hoch. Es ist dringend notwendig, in Maßnahmen zur Förderung der inklusiven Bildung zu intensivieren und diese verbindlicher zu gestalten. Es bedarf einer Änderung des Schulgesetzes, um in Sachsen-Anhalt den gemeinsamen Unterricht endlich zum Normalfall zu machen. Der Ressourcenvorbehalt gehört gestrichen, das heißt, das Recht jedes Kindes auf gemeinsamen Unterricht muss unbedingten Vorrang bei der Frage der Schulwahl haben. Das Ziel muss sein, dass immer mehr Förderschulen in Regelschulen aufgehen“, fordert Sziborra-Seidlitz.

Yves Rackwitz

Mitarbeiter für Presse und Kommunikation