07.05.2024

„Macht und Müdigkeit“ – Autorinnenlesung im Volksbad Buckau

Am 7. Mai haben wir in Kooperation mit dem Landesfrauenrat zur Autorinnenlesung mit anschließender Gesprächsrunde ins Volksbad Buckau eingeladen. Antje Kapek, Urberlinerin und ehemalige Fraktionsvorsitzende in Berlin, hat aus ihrem Buch „Macht und Müdigkeit – Eine überfällige Kritik unserer Politik der Selbstausbeutung“ vorgelesen. Nach zehn Jahren Dauererreichbarkeit, 18-Stunden-Tagen und keiner Zeit für Familie oder die eigene Gesundheit hat Antje Kapek einen Schlussstrich gezogen.

3L6A5451 WebsiteAntje Kapek las aus ihrem Buch "Macht und Müdigkeit" | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Die Geschäftsführerin des Landesfrauenrates, Daniela Suchantke, moderierte die Veranstaltung. Passend zum Thema haben die drei Fraktionsführerinnen des Landtages von Sachsen-Anhalt teilgenommen: Katja Pähle von der SPD, Eva von Angern von der Linken und Cornelia Lüddemann von Bündnis 90/Die Grünen. Suchantke eröffnete den Abend mit den Worten: „Es ist ein sehr ehrliches Buch, in dem sich viele von uns wiederfinden können.“

3L6A5325 WebsiteDaniela Suchantke (Mitte) moderierte die Veranstaltung | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

„Davor habe ich Politik gemacht und danach habe ich ein paar Erfahrungen gemacht und jetzt mache ich wieder Politik, nur mit Erfahrungen“, hat Antje Kapek ihren Weg beschrieben. Sie stellt bewusst dar, dass jemand, der ständig am Limit arbeitet, keine guten Entscheidungen treffen kann. Der Grund der Erschöpfung sei systemisch und könne nicht durch ein besseres Zeitmanagement gelöst werden: „Wir versuchen ein System zu verbessern, das Männer für Männer gemacht haben.“ Gleichzeitig sei es schwierig, sich dagegen aufzulehnen, da dies wiederum Kraft erfordere, die im Alltag selten übrigbleibt. Antje Kapek spricht auch das sensible Thema der Vereinbarkeit von politischer Karriere und Familie an. Es dürfe nicht unterschätzt werden, dass je länger man den Job macht, umso größer auch die Abhängigkeit zum Beruf wird.

3L6A5594 WebsiteGesprächsrunde mit Antje Kapek, Katja Pähle, Cornelia Lüddemann und Eva von Angern (v.l.n.r.) | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

In einer Zeit, in der die Frauenerwerbsrate so hoch ist wie noch nie, stellten alle vier Frauen auf der Bühne fest, dass die „gläserne Decke“ nach wie vor existiert. Die anwesenden Frauen der anschließenden Diskussionsrunde hatten als Fraktionsvorsitzende ihrer jeweiligen Fraktionen ähnliche Erfahrungen gemacht und unterschiedliche Reaktionen auf ihr politisches Engagement erhalten, darunter harte Vorurteile hinsichtlich der Vereinbarkeit der Fraktionsführung und des Mutterdaseins. Der Fraktionsvorsitz fordert ständige Erreichbarkeit, viele Termine in den Abendstunden und das Handhaben von permanent aufkommenden Krisen.

Abschließend wollte das Publikum wissen, ob es explizite Benachteiligungen gab und wie sich das auf das eigene Verhalten ausgewirkt hat. Katja Pähle und Eva von Angern antworteten darauf: „Wir gehen in solche Runden immer bewaffnet rein.“ Dazu gehöre auch ein gewisses Auftreten. Von Angern sagte über ihre Funktion als Fraktionsführerin: „Ich war nicht geplant. Ich war der Fehler im System, weil die Männer es nicht geschafft haben.“ Sie fügte hinzu: „Sie wollten mich nicht, sie wollten inkompetente Männer.“ Cornelia Lüddemann hat aufgrund der Regelung in der eigenen Partei und dem gezielten Streben nach Parität, auch in der Besetzung von Führungspositionen, weniger Gegenwind bekommen. Ganz aus blieb er jedoch nicht: „Als kleine, blonde Frau bei den Grünen in Sachsen-Anhalt“ musste auch sie lernen, dass man „zugreifen“ muss, wenn man etwas erreichen will, und dass das auch bedeutet, nicht in der Opposition und der letzten Reihe zu bleiben, sondern nach vorne zu treten. Das sei gerade für Frauen nicht einfach, da sie anders sozialisiert werden. Im politischen Alltag kommt es zu Situationen, in denen Reden von weiblichen Abgeordneten gestört oder Entscheidungen angezweifelt werden. Alle sind sich einig, dass in diesen Situationen ein starkes Auftreten gefordert ist und es dazugehört, einen eigenen Umgang damit zu finden. Dazu gehört auch, sich seine Kräfte einzuteilen und zu filtern, welche Konflikte und Krisen ausgetragen werden müssen und welche nicht. Eva von Angern gelingt das, indem sie sich bemüht zu akzeptieren, dass sie nicht von allen gemocht werden muss. Conny Lüddemann setzt auf ein gutes Netzwerk aus Familie, Freunden und guten Mitarbeiter:innen, denen man vertrauen kann. Darüber hinaus betont sie, wie wichtig es ist, aktiv Frauen zu coachen und sie für die politische Arbeit zu gewinnen.

3L6A5565 WebsiteFoto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Der Abend endete in kleinen Gesprächsrunden, die das Publikum nutze, um eigene Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen.