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Mobilität für alle - natürlich nachhaltig.

Grundsätzliches

Eine der zentralen Aufgaben von Politik ist die Gewährleistung sozialer Teilhabe aller Menschen. Mobilität wiederum ist Grundvoraussetzung für Teilhabe, weil die Mitwirkung etwa am Bildungssystem, am Arbeitsmarkt, an den Konsummöglichkeiten aber auch am Freundes- und Familienleben sowie der Zugang zu medizinischen oder kulturellen Angeboten (fast) immer ein gewisses Maß an Mobilität voraussetzt. Als Bedingung von Teilhabe gehört Mobilität damit zur Daseinsvorsorge und mithin zur Kernaufgabe staatlichen Handelns.

1. Mehr Mobilität - Weniger Verkehr

Für ein zukunftsweisendes Mobilitätsgesetz ist die begriffliche Unterscheidung von Mobilität und Verkehr zentral. 

2. Mit dem Umweltverbund Mobilität garantieren

Die Mobilitätswende setzt in ihrem Kern auf wohlbekannte Verkehrsmittel. Zukünftig soll der Umweltverbund - ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr - Garant der Mobilität im Land sein. Einen solchen prinzipiellen Vorrang des Umweltverbundes wollen wir entsprechend gesetzlich normieren. Damit einher geht die politische Selbstverpflichtung einer nachhaltigen Mobilitätsgarantie.

3. Alternativen zum Privat-PKW ermöglichen

Mit den dargestellten Verbesserungen im Bereich des Umweltverbundes wollen wir Mobilität garantieren für alle Menschen, gerne auch ohne eigenen PKW. Eine solche nachhaltige Mobilitätsgarantie ist unser Kernanliegen und an diesem wollen wir uns messen lassen.

4. Mehr Mobilität durch Nahraumpriorisierung und gemeinschaftliche Mobilität

Noch vor der Verkehrsgestaltung muss bei einer zukünftigen Mobilitätspolitik die Verkehrsvermeidung stehen. So ist es beispielsweise möglich, die Mobilität von Menschen zu verbessern und gleichzeitig Verkehr zu reduzieren, indem verschiedene Behördengänge oder auch Beratungsangebote online erfolgen.

5. Nachhaltige Mobilität von Anfang an

Wenn wir uns zum Ziel setzen, nicht nur die Mobilitätsbedingungen, sondern auch die Mobilitätskultur und die individuelle Mobilitätskompetenz zu befördern, so müssen wir früh damit beginnen.

6. Mobilität, die alle mitnimmt – Barrierefreiheit

Eine der wichtigsten Anforderungen an die Mobilität der Zukunft ist, dass sie niemanden ausschließen darf. Unsere Mobilitätsgarantie zielt auf eine Mobilität für alle. Die Verkehrsmittel und Zugangseinrichtungen (zum Beispiel Bahnsteige) als auch die Planungs- und Buchungsmöglichkeiten sind entsprechend barrierefrei zu gestalten.

7. Mobilität als Querschnittsaufgabe

obilitätspolitik hat Auswirkungen auf nahezu jedes andere politische Feld. Sie kann daher nicht nur in einem Ressort stattfinden, sie ist vielmehr eine Querschnittsaufgabe, die viele politische Handlungsfelder betrifft.

8. Regelungspunkte im Grünen Mobilitätsgesetz

Zusammengefasst wollen wir folgende Aspekte gesetzlich normieren:
Fahrräder fahren zwischen Häuserzeilen auf einer Pop-Up Fahrradstraße. Sie befindet sich auf einer breiten Straße und wird von gelben Linien begrenzt. Foto: Julius Schultheis/QIMBY (CC0 1.0)

Grundsätzliches

Eine der zentralen Aufgaben von Politik ist die Gewährleistung sozialer Teilhabe aller Menschen. Mobilität wiederum ist Grundvoraussetzung für Teilhabe, weil die Mitwirkung etwa am Bildungssystem, am Arbeitsmarkt, an den Konsummöglichkeiten aber auch am Freundes- und Familienleben sowie der Zugang zu medizinischen oder kulturellen Angeboten (fast) immer ein gewisses Maß an Mobilität voraussetzt. Als Bedingung von Teilhabe gehört Mobilität damit zur Daseinsvorsorge und mithin zur Kernaufgabe staatlichen Handelns.

In diesem Sinne lautet unsere Kernfrage: Wie können wir die Mobilität aller Menschen unseres Landes nachhaltig garantieren sowohl in den städtischen als auch in den ländlichen Regionen? Und dies unter den Rahmenbedingungen des demographischen Wandels, der Klimakrise und der Digitalisierung. Konkret wirft das folgende Fragen auf: Wie können wir die CO₂-Emissionen im Verkehrsbereich deutlich senken? Wie können wir lebenswerte Städte und Dörfer mit möglichst wenig Abgasen und Motorenlärm und dafür mit mehr Raum für das öffentliche Leben gestalten? Und wie können wir eine Digitalisierung der Mobilität erreichen, die nutzerorientiert und nicht lediglich technikgetrieben ist?

Die folgenden Antworten auf diese Fragen wollen wir in ein zukunftsweisendes Gesetz zur Umsetzung der Mobilitätswende einfließen lassen. Denn es braucht mehr als schöne Worte und durchdachte Konzepte für die Mobilitätswende. Es braucht eine verlässliche finanzielle Förderung, normierte Standards und verbindliche konkrete Zielstellungen. Daher denken wir als Fraktion die Mobilitätswende im Rahmen eines umfassenden Mobilitätsgesetzes.

Die folgenden Eckpunkte geben die wesentlichen Parameter wieder, an denen sich ein solches Gesetz aus Sicht der grünen Landtagsfraktion orientieren muss.


1. Mehr Mobilität - Weniger Verkehr

Für ein zukunftsweisendes Mobilitätsgesetz ist die begriffliche Unterscheidung von Mobilität und Verkehr zentral. 

Daher zur Begriffsklärung folgende Kurzdefinitionen:

Verkehr, das ist die zähl- und messbare Bewegung von Gütern und Personen im Raum. Er kann beispielsweise in zurückgelegten Kilometern, der Taktung von Straßenbahnen, der Reisegeschwindigkeit etc. angegeben werden.

Mobilität hingegen bezeichnet die Erreichbarkeit von Orten, Dienstleistungen und Angeboten. Damit wird auch die Möglichkeit, die individuelle Bereitschaft und die Kompetenz zur Mobilität in den Blick genommen.

Somit ist nicht nur das zur Verfügung gestellte Verkehrsangebot ausschlaggebend für die Mobilität der Bevölkerung, sondern auch die individuelle Mobilitätskompetenz sowie die gesellschaftliche Mobilitätskultur. Anders ausgedrückt: Mobilität beginnt im Kopf. Mobilität erschöpft sich also nicht in einer technischen (Antriebstechnologie) und infrastrukturellen (Straßenbau, Fahrzeugbeschaffung) Dimension. Sie beinhaltet soziale Werturteile, tradierte Verhaltensweisen und soziale Sinnstiftung.

Das fängt beim Erwerb eines Führerscheins an und umfasst zum Beispiel auch die Fähigkeit Fahrpläne zu lesen oder das Sicherheitsgefühl beim Radfahren. Auch der Bedeutungsverlust des eigenen Autos gerade im Vergleich zum Smartphone, wie es Umfragen in den letzten Jahren vielfach insbesondere für die junge Generation aufzeigten, ist ein zu berücksichtigender aktueller Trend. Denn er verweist auf eine Mobilitätswende von unten, die wir politisch aufgreifen und umsetzen wollen.

Aus dieser Begriffsklärung folgt: Mehr Verkehr bedeutet nicht automatisch mehr Mobilität. Eine leider oftmals anzutreffende Begriffsverkürzung. Denn bisher zielt Politik viel zu oft nur auf ein mehr an Verkehr. Es geht dann klassischerweise um mehr Straßen, mehr Ortsumgehungen, mehr Autobahnen, einen höheren ÖPNV-Takt etc. Aber schon der tägliche Stau zeigt, dass mehr Verkehr Mobilität eben auch einschränken kann. Unser Ziel für zukunftsweisende Mobilitätspolitik ist daher nicht schlicht mehr vom Bisherigen, nicht mehr Verkehr, sondern mehr Mobilität. Und zwar im besten Falle: mehr Mobilität mit weniger Verkehr.

Das setzt ein grundsätzliches Umdenken voraus. Wir wollen der Wachstumsideologie, die auch im Verkehrsbereich seit langer Zeit dominiert, zu Gunsten einer nachhaltigen Mobilitätspolitik ein Ende setzen. Daher zielen wir nicht auf kleine Nachjustierungen im bestehenden System, sondern wir wollen eine Mobilitätswende. Eine Mobilitätswende im Sinne des Dreiklangs: Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung und Verkehrsverbesserung.

Dieser grundsätzliche Anspruch tut dringend Not, denn der Verkehr ist für ein Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich und im Gegensatz zu anderen Sektoren hat sich der CO2-Ausstoß im Verkehr bisher nur unmerklich verringert. Das wollen und werden wir ändern.

Mit den folgend dargelegten Maßnahmen wollen wir die beiden zentralen Ziele erreichen:

  • den Anteil des Umweltverbundes am Modal Split von 42 Prozent (2017) auf 60 Prozent im Jahr 2030 steigern.
  • die CO₂-Emissionen im Verkehrsbereich bis 2030 um 35 Prozent reduzieren.

Eine feindifferenzierte Zielentwicklung etwa in Bezug auf eine Reduzierung der Stickstoffdioxidemissionen, die Verschiebungen bei der Verkehrsmittelnutzung und beispielsweise dem Anteil von E-Autos ist für eine abrechenbare Mobilitätspolitik dringend von Nöten. Das Klima- und Energiekonzept der Landesregierung hat dazu bereits Vorgaben gemacht. Der zukünftige Mobilitätsbeirat der Landesregierung hat genau diese feindifferenzierte Zielentwicklung mit Beginn der nächsten Legislatur anzupacken.


2. Mit dem Umweltverbund Mobilität garantieren

Die Mobilitätswende setzt in ihrem Kern auf wohlbekannte Verkehrsmittel. Zukünftig soll der Umweltverbund - ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr - Garant der Mobilität im Land sein. Einen solchen prinzipiellen Vorrang des Umweltverbundes wollen wir entsprechend gesetzlich normieren. Damit einher geht die politische Selbstverpflichtung einer nachhaltigen Mobilitätsgarantie.

Der Umweltverbund steht nicht nur für eine klimafreundliche und nachhaltige Mobilität, sondern insbesondere auch für Radfahren und zu Fuß gehen, was wiederum die eigene Gesundheit fördert. Die Mobilitätswende ist demnach auch eine Rückbesinnung auf altbewährte Formen der Fortbewegung.

Gleichzeitig eint ÖPNV und Fahrrad, dass technische Entwicklungen neue Potentiale bieten. Vom E-Ticket, über intermodale Reiseketten aus einer Hand, bis hin zu Elektro- sowie Wasserstoffantrieben und dem autonomen Fahren führen gegenwärtig zahlreiche Entwicklungen zu einer Aufwertung des Umweltverbundes. Die Mobilitätswende setzt also auf altbewährtes wie auch auf eine technische und digitale Zukunft.

Eine Person sitzt mit dem Rücken zum Fotografen auf einem Sitzplatz im Bus. Sie trägt eine Kappe und schaut aus dem Fenster. Auf dem Bild steht "Das Land hat die Weiterentwicklung des ÖPNV aktiv zu unterstützen." geschrieben.Foto: VH S/pexels.com

Öffentlicher Personennahverkehr - ÖPNV

Es braucht große Anstrengungen, um den ÖPNV in die Lage zu versetzen, die zentrale Rolle bei der Mobilitätswende zu spielen und weiter auszubauen. Insbesondere gilt dies für die Mittel- und Grundzentren. Einen wesentlichen Beitrag dazu wollen wir durch die Schaffung eines „Sachsen-Anhalt-Taktes“ leisten. Einem landesweiten regelhaften Stundentakt von 5Uhr morgens bis Mitternacht, der alle größeren Orte im Land einbindet. Dieser Takt ist über den klassischen Linienverkehr aber auch flächenbezogene ÖPNV-Angebote wie auch Rufbusse abzusichern. Natürlich ist dieser Takt nicht in den nächsten Jahren komplett zu realisieren. Aber es braucht hier und heute eine klare ambitionierte Zielstellung, um zukünftig den ÖPNV prioritär zu behandeln.

Einzubinden ist dieser Landestakt in einen integrierten Taktfahrplan (ITF). Dabei wird das Netz der Regionalzüge durch Taktbusse ergänzt und die jeweiligen Abfahrtszeiten aufeinander abgestimmt. Auch die Infrastrukturplanung muss sich dann nach den Erfordernissen dieses Plans richten. Mit dem “Deutschland-Takt” hat die Bundesebene hier schon einen vielversprechenden Plan vorgelegt. Auf Landesebene gilt es nun, sich in die restliche Planungsphase konstruktiv einzubringen, den Plan konsequent umzusetzen und das Bahn-Bus-Landesnetz sinnvoll mit dem Deutschlandtakt zu koppeln. Es ist dabei zu gewährleisten, dass die durch das Land bestellten Angebote im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) den Deutschland-Takt sicherstellen beziehungsweise unterstützen.

In Bezug auf den ÖPNV in den Kommunen brauchen wir zur Umsetzung des Sachsen-Anhalt-Taktes und des ITF einen auf den Jedermanns-Verkehr ausgerichteten ÖPNV, der sich nicht einzig auf den Schülerverkehr fokussiert; einige Landkreise sind dabei schon wesentliche Schritte gegangen. Das Land hat diese Weiterentwicklung des ÖPNV aktiv zu unterstützen. Neben dieser informellen Unterstützung ist eine verlässliche Finanzierung von Nöten. Das Land hat die Regionalisierungsmittel des Bundes konsequent dem ÖPNV bereit zu stellen. Die Neuausrichtung und Aufstockung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) ist zu nutzen, um weiterhin etwa den Straßenbahnausbau zu betreiben. Dafür ist die Ko-Finanzierung des GVFG von Landesseite aus zu garantieren. Auch ist die Förderung des ÖPNV zu dynamisieren mindestens im Rahmen eines Inflations- und Tarifausgleichs. Und diese dynamisierte Förderung ist gesetzlich festzuschreiben, um für die Verkehrsunternehmen eine bestmögliche Planbarkeit herzustellen. Dazu gehört auch eine verbesserte Weiterführung der Förderung alternativer Antriebe für den Busverkehr, um die Kommunen in die Lage zu versetzen die Clean-Vehicle-Richtlinie der Europäischen Union umzusetzen.

Neben diesen Verbesserungen innerhalb der bestehenden Finanzierungsystematik wollen wir  Formen einer ergänzenden Finanzierung des ÖPNV prüfen und initiieren, die diesen unabhängiger von Ticketverkäufen macht. Das ist für uns eine der Lehren aus der Corona-Pandemie. Eine verlässliche und steigende Finanzierung werden wir brauchen, um etwa die Taktung des ÖPNV spürbar zu verbessern.  Auch die von uns angestrebte Reaktivierung von Strecken verlangt nach einer tragfähigen Finanzierung.

Wir wollen eine Grundlagenuntersuchung, welche die verschiedenen Varianten einer so genannten Drittnutzerfinanzierung konkretisiert und auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft. Der Mitteldeutsche Verkehrsverbund hat dazu bereits vor Jahren sechs mögliche Varianten – vom Bürgerticket bis zum flächenbezogenen ÖPNV-Beitrag – ins Gespräch gebracht. Auf Basis der Grundlagenuntersuchung wollen wir den Landkreisen und kreisfreien Städten die Möglichkeit zur Erprobung anbieten und entsprechend einen Modelllandkreis samt Förderung ausschreiben, damit ein solches Pioniervorhaben im Land bis 2023 anläuft.

In Sachen Streckenreaktivierung werden wir auf den Vorarbeiten der Fachverbände aufbauen und deren Vorschläge für konkrete Streckenreaktivierungen einer ernsthaften Prüfung unterziehen. Unser Leitmotiv dabei ist, die Verlagerung von möglichst vielen Personen- und Güterkilometern von der Straße auf die Schiene. Dafür bedarf es auch einer weiteren Förderung von direkten Unternehmensanschlüssen an das Schienennetz sowie weitere Förderungen und Flächenbereitstellungen für Umschlagknoten im Güterverkehr.

Im Bereich des Regionalverkehrs setzen wir auf eine konsequente Elektrifizierung der Strecken, um das Dieselnetz bis 2032 möglichst abzuschaffen oder zumindest klar zu reduzieren. Insbesondere für den Güterverkehr sind umweltfreundliche Antriebe zu unterstützen, wie Wasserstofftechnologie oder Hybridloks. Erst dann kommt das klimafreundliche Potential des Schienenverkehrs voll zum Tragen.

Entscheidend für den ÖPNV wird auch die Etablierung und Weiterentwicklung von on-demand Angeboten und die Öffnung in Richtung flächenbezogene Angebote sein. Denn die klassischen linienbezogenen Angebote des ÖPNV sind dringend zu erweitern und den Notwendigkeiten und den Bedürfnissen der Menschen anzupassen.  Gerade auf dem Land stößt der klassische ÖPNV an seine Grenzen. Hier brauchen wir mehr Flexibilität, um bedarfsgerechte Angebote zu etablieren. Als Zukunftsvision sehen wir etwa den autonom fahrenden Kleinbus, der die letzte Meile abdeckt und Personen etwa von Mobilitätszentralen zur eigenen Haustür fährt. Absehbar können autonom fahrende Kleinbusse feste Linienverkehre bedienen und absichern. Erste Forschungsvorhaben in diese Richtung im Land verweisen bereits auf die Machbarkeit dieser Vision.

Die absehbare Öffnung des ÖPNV in Richtung flächenbezogene Angebote auf Bundesebene ist vom Land frühzeitig zu vermitteln und im Austausch mit den Verkehrsbetrieben sind Konzepte zur Umsetzung im Land zu entwickeln. Auch öffentlich ausgeschriebene Taxiangebote sind – wenn das bundesgesetzliche geregelt ist – vor Ort zu nutzen, um Mobilität auch in abgelegenen Regionen und in Randzweiten zu sichern.

Eine dauerhafte Herausforderung wird für den ÖPNV die Fachkräftesicherung sein. Die große Zahl an Renteneintritten in den kommenden Jahren macht eine strategisch ausgerichtete Bewerbung der Berufsbilder im ÖPNV nötig. Hier ist eine Unterstützung der Verkehrsbetriebe durch das Land anzustreben. Denn ohne Personal ist unser Ziel der Mobilitätswende zum Scheitern verurteilt.

Ein Fahrrad steht auf einem Feldweg. Im Hintergrund  befindet sich ein Windrad. Auf dem Foto steht geschrieben: "Aus den etwas 670km Radwegen an Landesstraßen wollen wir bis 2026 1.000 km machen.Foto: Javon Swaby/pexels.com

Radverkehr

Mehr und bessere Radwege verstehen sich bei der Mobilitätswende von selbst. Daher ist die Finanzierung von Radwegen sowohl an Landes- wie kommunalen Straßen gesetzlich festzuschreiben. Wir wollen 15 Millionen € jährlich für den Bau, die Instandsetzung und Verbesserung  von Radwegen einsetzen. Diese Finanzierung ist an verbindliche Zielvorgaben für den Neubau von Radwegen zu koppeln. Aus den etwa 670 Kilometern Radwegen an Landesstraßen wollen wir bis zum Ende der kommenden Legislatur im Jahr 2026 1.000 Kilometer machen. Dafür ist an Hand des neuen Landesradverkehrsplans zeitnah ein überarbeitetes Landesradverkehrsnetz und ein entsprechender neuer Radwegebedarfsplan zu entwickeln und mit verbindlichen Terminierungen für dessen Umsetzung zu untersetzen.

Die Verantwortung des Landes sehen wir nicht nur bei Radwegen an Landesstraßen. Wir wollen als Land auch die Verantwortung für überregionale Radwege anerkennen und die Baulastträgerschaft für Radwege mit bundes- und europaweiter Bedeutung übernehmen. Das betrifft insbesondere touristische Radwege wie den Elbe- und Saaleradweg. Deren Beschilderung, Wartung, Instandsetzung und vor allem Bewerbung soll in Zukunft aus einer Hand erfolgen.

Über ein Landesprogramm für Radschnellwege und deren gesetzliche Definition sowie ein Förderprogramm für Pedelecs/E-Bikes wollen wir die Nutzung des Fahrrads über den ansonsten üblichen Nutzungsradius hinaus fördern. Gerade für die ländlichen Räume stellen E-Fahrräder und E-Lastenräder ein enormes Potential dar, weil durch sie auch größere Strecken ohne allzu große Kraftanstrengungen bewältigt werden können. Gerade für die ältere Generation eröffnet diese technische Entwicklung neue Möglichkeiten einer gesunden und nachhaltigen Mobilität. Daher sind Radabstellanlagen samt Lademöglichkeiten auch in der Fläche notwendig.

Damit eine koordinierte Zusammenarbeit der Kommunen im Bereich Radwege weiter gestärkt wird, ist die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) weiter von Landesseite zu fördern und auch die Konzeption von Modellprojekten, etwa für innerstädtische Lastenradparkhäuser oder temporäre Fahrradwege dort anzusiedeln.

Das E-Lastenrad stellt auch für die Logistik ein vielversprechendes Verkehrsmittel dar. Wenn zentrale Logistikhubs die Paketlieferungen bündeln und die Pakete von dort via Lastenrad verteilt werden. Hier sehen wir ein enormes Potential zur Verkehrsvermeidung. Diese Entwicklung kann das Land als Moderator zwischen Wirtschaft und Kommunen ankurbeln. Auch das erfolgreiche Förderprogramm für Lastenräder wollen wir dafür weiterentwickeln. Dabei sind insbesondere die Fördermodalitäten für Vereine und Initiativen, die ein öffentliches Leihlastenrad vor Ort etablieren wollen, zu verbessern.

Vision Zero

Damit neue Bevölkerungsgruppen auf das Fahrrad als Verkehrsmittel umsteigen, muss gerade in diesem Bereich die Verkehrssicherheit gestärkt werden. Die Vision Zero – also das Ziel Null Verkehrstote – ist hierbei unsere Leitschnur. Neue Ansätze wie sogenannte protected bike lanes (breite, komfortable, physisch vom Autoverkehr getrennte und optische gekennzeichnete Fahrradwege) sind hierbei ebenso im Blick, wie Kampagnen zum 1,50 m Mindestüberholabstand von Autos und einer verlässlichen Förderung der Jugendverkehrsschulen im Land. Auch wollen wir die Ausweisung von Fahrradstraßen und Tempo 30 Zonen ausweiten. Eine Verschärfung des Bußgeldkataloges gemäß Straßenverkehrsordnung halten wir ebenso für ein geeignetes Mittel, um die Verkehrssicherheit auf den Straßen zu erhöhen.

Fußverkehr

Der Fußverkehr wurde lange Zeit im Land vernachlässigt. Etwas dem ÖPNV-Plan oder dem Landesradverkehrsplan vergleichbares liegt für den Fußverkehr nicht vor.  Dabei ist das zu Fuß gehen die natürliche Fortbewegungsart des Menschen. Wir wollen die Erarbeitung eines Landeskonzeptes für den Fußverkehr anstoßen und begleiten. Damit wird diese Form der Mobilität erstmalig im Land konsequent und systematisch entworfen. Dabei sind mindestens die Punkte (kommunale) Fußverkehrspläne, Standards und Planungsgrundsätze sowie die Rolle des Fußverkehrs als wichtigstem Zubringer zum ÖPNV konzeptionell zu untersetzen und gesetzlicher Handlungsbedarf zu identifizieren.

Eine solche Konzepterarbeitung samt gesetzgeberischen Initiativen ist dann Grundlage für ein Förderprogramm für die Planung, den Bau sowie die Ertüchtigung von Fußwegen und insbesondere Straßenquerungen in den Kommunen. Gerade im Bereich der Nahmobilität in Mittelzentren sehen wir durch solch ein Vorgehen großes Potential für eine Stärkung des Fußverkehrs. Wir wollen dabei insbesondere erreichen, dass Fußwege ihrer Rolle als geschützter Raum für die schwächsten Verkehrsteilnehmer gerecht werden. Den Anteil des Fußverkehrs am Modal Split wollen wir damit bis 2030 verdoppeln.

Ein Foto aus der Vogelperspektive zeigt eine Landstraße, die zwischen einem Wald und einem See hindurchführt. Darauf befindet sich ein Text: Es ist Ausdruck eines Politikversagens, wenn sich Haushalte genötigt sehen ein drittes Auto zu erwerben."Foto: Jack Redgate/pexels.com

Intermodaler Verkehr

Die Verkehrsmittel des Umweltverbundes stehen natürlich nicht bezugslos nebeneinander. Ganz im Gegenteil können sie ihr ganzes Potential erst im Zusammenspiel entfalten. Schon heute verlassen sich die meisten Menschen nicht mehr nur auf ein Verkehrsmittel. Viele nutzen bereits für verschiedene Abschnitte desselben Weges unterschiedliche Verkehrsträger. Dieser intermodale Verkehr soll noch einfacher umzusetzen sein - in Hinblick auf die Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel, aber zum Beispiel auch bei der Planung und Buchung. Dafür braucht es eine Bündelung des Umweltverbundes in Mobilitätsstationen, die SPNV und ÖPNV-Haltestellen mit sicheren Fahrradabstellanlagen, Ladestationen für E-Bikes und E-Autos, Leihfahrrädern und Car-Sharing Angeboten wie auch Parkplätzen bündeln.

Anfänglich lassen sich derartige Mobilitätsstationen durch regelhafte überdachte Radabstellanlagen an Haltepunkten des ÖPNV auf den Weg bringen sowie den weiteren Ausbau von Ride+Bike Stellplätzen an Bahnhöfen. Um die Kommunen bei dieser Aufgabe zu unterstützen, wollen wir eine Bedarfsanalyse für solche Radinfrastrukturprojekte durchführen und einen Leitfaden entwickeln, der bei der Planung und Ausgestaltung von B+R-Anlagen unter die Arme greift. Durch regelhafte hochwertige Radabstellanlagen vervielfacht sich der Einzugskreis von Haltestellen, wodurch sich das Nutzer*innenpotential des ÖPNV entsprechend erhöht. Auch durch einen Ausbau der Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern in Zügen und im Bahn-Bus Landesnetz fördern wir den intermodalen Verkehr.

Für diese Vorhaben ist das Schnittstellenprogramm konzeptionell neu aufzustellen, mit mehr Geld zu hinterlegen und ein guter Mittelabfluss zu garantieren. Das Förderprogramm REVITA zur Revitalisierung von Bahnhofsgebäuden wollen wir weiterführen. Sanierte und belebte Bahnhofsgebäude tragen erheblich zur Kundenfreundlichkeit des Bahnverkehrs bei.

Parallel zum Ausbau der Infrastruktur und des Angebots für die intermodale Fortbewegung gilt es, auch die Planung und Buchung intermodaler Wegeketten zu vereinfachen. Ein gemeinsames Informationsportal im Internet, das öffentliche und privatrechtliche Anbieter verschiedener Mobilitätsangebote miteinander vernetzt und eine einfache Planung intermodaler Wegeketten ermöglicht, wäre ein erster Schritt. Wünschenswert wäre darüber hinaus eine Möglichkeit, auch die Buchung von Angeboten verschiedener Anbieter über denselben Onlineservice vorzunehmen, also eine Wegekette zusammenzustellen, auszuwählen und dann in einer Transaktion zu bezahlen.

Für diese verkehrsmittelübergreifenden Wegeketten braucht es eine Anschlussgarantie. Echtzeitdaten und digital abgestimmte Verkehrsmittel sollen Umsteigezeiten minimieren und den Verkehrsträgerwechsel bestmöglich abstimmen. Erst mit dieser Verlässlichkeit wird der Umweltverbund für noch mehr potenzielle Fahrgäste attraktiv. Daher wollen wir eine verpflichtende Datenübermittlung für Verkehrsunternehmen einführen.

Mittels dieser Maßnahme wollen wir die Zahl der Fahrgäste als auch die Personenkilometer bis 2030 deutlich steigern. Die Corona-Pandemie hat dem Ziel den ÖPNV umfassend zu stärken zwar einen Dämpfer verpasst, aber diese zeitweilige Delle wollen wir schnellstmöglich ausbügeln und anschließend weiterhin mit Nachdruck am Ziel der Verdopplung der Fahrgastzahlen arbeiten, wie es beispielsweise die MVB mit ihrem Gutachten „Faktor 2“ entworfen hat.

Fährverkehr

Die Fähren im Land sichern neben lokaler Mobilität auch regionale und landesweite Straßenverbindungen. Auch sind sie für den Radtourismus von Bedeutung und bergen über ihre reine Funktionalität hinaus Potential als Touristenattraktion. Für die landesbedeutsamen Fähren wollen wir eine verlässliche Finanzierung auflegen, damit die Gemeinden das wirtschaftliche Risiko nicht weiterhin allein tragen müssen.


3. Alternativen zum Privat-PKW ermöglichen

Mit den dargestellten Verbesserungen im Bereich des Umweltverbundes wollen wir Mobilität garantieren für alle Menschen, gerne auch ohne eigenen PKW. Eine solche nachhaltige Mobilitätsgarantie ist unser Kernanliegen und an diesem wollen wir uns messen lassen.

Autos haben einen hohen Flächenverbrauch, stoßen aktuell noch viele Schadstoffe aus, sind laut und bringen für ihre Besitzer hohe ökonomische Kosten mit sich. Viele Menschen wollen ruhig und schadstofffrei leben. Dieses Ziel ist für die städtischen Bereiche samt Mittel- und Oberzentren bei einer konsequenten Umsetzung einer Mobilitätswende machbar. In den ländlichen Regionen ist das Auto absehbar notwendig. Aber auch hier kann ein hochqualitativer Umweltverbund die teure Notwendigkeit eines Zweit- oder gar Drittautos für Haushalte abbauen. Denn letztlich ist es Ausdruck eines Politikversagens, wenn sich Haushalte auf dem Land genötigt sehen, ein drittes Auto zu erwerben, um die eigene Mobilität zu sichern, damit bspw. der Sohn zur Berufsschule kommt.

Wo sich der motorisierte Individualverkehr (MIV) nicht vermeiden lässt, ist dieser mittelfristig auf klimaneutrale Antriebe hin auszurichten. Dafür setzen wir auf eine Antriebstechnologiewende. Also der Etablierung von Elektro- und Wasserstoffantrieben. Land und Kommunen haben dabei mit ihrem Fuhrpark als gutes Beispiel voran zu gehen und diesen bis zum Ende der kommenden Legislatur im Jahr 2026 komplett auf alternative Antriebstechnologie umzustellen. Bis 2030 wollen wir dies für Neuzulassungen landesweit erreichen.

Auf dem Bild befindet sich ein orange-schwarzer Kleinwagen, in dessen Tankklappt ein Ladekabel steckt, das mit einer Ladesäule verbunden ist. Auf dem Bild steht der Text: Viele Menschen könnten mit der Nutzung von Car-Sharing Geld sparen.Foto: andreas160578/pixabay.com

Der forcierte Ausbau der Ladeinfrastruktur ist dafür die Grundvoraussetzung. Hierfür wollen wir klare Zielvorgaben. Zur technischen Weiterentwicklung des Straßenverkehrs gehört auch ein smartes Verkehrsmanagement samt Vehicle-to-Anything (V2x)-Kommunikation, um Verkehrsflüsse zu optimieren. In Zukunft wird auch das autonome Fahren eine immer größere Rolle spielen. Dessen Potential zeigte auch unser eigens in Auftrag gegebenes Gutachten. Gerade für den Logistikbereich sehen wir hier großes Potential und wollen die Forschung in diesem Bereich im Land forcieren. Etwa durch eine landesseitige Unterstützung bei der Gewinnung von entsprechenden Teststrecken/-feldern. Denn ohne Reallabore werden derlei Ansätze nicht den Sprung in einen Massenmarkt schaffen können.

Studien und auch die Alltagserfahrung zeigen: der durchschnittliche Pkw steht den größten Teil des Tages schlicht herum. Im Schnitt bis zu 23 Stunden am Tag. In der Stadt tut er das für gewöhnlich auf einem öffentlichen Parkplatz. Zwar steht es den Kommunen frei Parkgebühren zu erheben, aber diese sind in Sachsen-Anhalt durch Landesregelungen strikt gedeckelt. Nicht mehr als 50 Cent für die angefangene halbe Stunde dürfen verlangt werden. Durch diese Beschränkung aus den 90er Jahren können die Parkgebühren nicht einmal an die Inflation angepasst werden. Während also die Ticketpreise für den ÖPNV regelmäßig steigen (müssen), bleiben die Preise für Parkraum unverändert. Inflationsbereinigt wird dieser sogar immer billiger. Damit wird öffentlicher Raum unangemessen entwertet und bleibt anderen Nutzungen verschlossen.

Demgegenüber wollen wir den Kommunen die Hoheit über ihre Parkraumbewirtschaftung geben. Sie sollen frei entscheiden, was Parkplätze bei Ihnen kosten. Dazu braucht es keine Bevormundung durch das Land. Daher wollen wir ihnen sowohl die Hoheit bei der Festlegung von Parkgebühren wie auch bei der Preisfestlegung von Anwohner*innenparkausweisen zuschreiben. Die dadurch möglichen zusätzlichen Einnahmen sollten mit einem kommunalen Mobilitätskonzept untersetzt und grundsätzlich zur Stärkung des Umweltverbundes verwendet werden Um diese Konzeptentwicklung in den Kommunen zu befördern, streben wir als Land eine hälftige Kofinanzierung entsprechender kommunaler Mobilitätsberaterinnen und -berater an.

Wir wollen bei Neubauten die bereits veränderten Mobilitätsgewohnheiten der Menschen aufgreifen. Hier wollen wir eine Pflicht für den Bau von überdachten Radabstellanlagen in der Bauordnung aufnehmen. Für große Bauvorhaben wollen wir die nötige Anzahl von Pkw-Stellplätzen reduzieren sowie die Möglichkeit schaffen die Errichtung von Pkw-Stellplätzen auch durch Car-Sharing Plätze und Radabstellanlagen erfüllen zu können. Ebenso muss die Errichtung von Ladesäulen oder zumindest die Verlegung von Leerrohen verpflichtend geregelt werden.

Viele Menschen könnten mit der Nutzung von Car-Sharing Geld sparen. Daher wollen wir das Car-Sharing deutlich befördern. Dafür ist landesgesetzlich die Möglichkeit für Kommunen zu schaffen Flächen für stationäres Car-Sharing auszuweisen und für die Ausschreibung Standards festzulegen. Wir wollen Car-Sharing Angebote mindestens in allen Ober- und Mittelzentren unseres Landes befördern. Auch ist die Kooperation von Wohnungsgesellschaften und Car-Sharing Unternehmen durch das Land anzustoßen. Bei Neubauprojekten sind Car-Sharing Plätze mitzudenken und zu integrieren, so dass bei Bezug der neuen Wohnungen oder Büros automatisch mehrere gemeinschaftliche Autos bereitstehen. Wohnung plus Mobilität aus einer Hand als neue Serviceleistung ist dabei unser Leitbild.

Auf der Illustration steht geschrieben: "Vehicle-to-everything" (V2x). V2x beschreibt die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und ihrer Umwelt. Dabei werden alle Elemente betrachtet, die das Fahrzeug beeinflussen kann oder von denen es beeinflusst wird."Illustration: Korrektur NachOben, aa8916744 /pixabay.com

4. Mehr Mobilität durch Nahraumpriorisierung und gemeinschaftliche Mobilität

Noch vor der Verkehrsgestaltung muss bei einer zukünftigen Mobilitätspolitik die Verkehrsvermeidung stehen. So ist es beispielsweise möglich, die Mobilität von Menschen zu verbessern und gleichzeitig Verkehr zu reduzieren, indem verschiedene Behördengänge oder auch Beratungsangebote online erfolgen.

Auch durch mobiles Arbeiten und sogenannte Dorf-Büros – Co-Working-Spaces - können Pendlerverkehre reduziert werden und Arbeit und Wohnen näher aneinanderrücken. Gerade durch die Corona-Pandemie sind dazu zahlreich Erfahrungen gesammelt worden, die in Zukunft hoffentlich Normalzustand werden. Dazu gehört der Ausbau von Online-Workshops, Webinaren und Tele-Konferenzen. Ein fachlicher Austausch, politische Debatten, die Vermittlung von Lehrinhalten oder Firmenmeetings bedürfen nicht immer einer physischen Präsenz. Entsprechende digitale Kommunikationstools können Verkehr damit unnötig machen. Geradezu ein Paradebeispiel für mehr Mobilität mit weniger Verkehr.

Abseits dieser neuen digitalen Möglichkeiten können wir Verkehrsvermeidung auch schon dadurch erreichen, dass wir keine Gewerbeflächen mehr in desintegrierte Gebiete bauen. Denn dies produziert zwangsläufig Pkw-Verkehr, der durch eine frühzeitige ÖPNV-Anbindung von Gewerbegebieten vermieden werden könnte. Bei Neubaugebieten ist der ÖPNV-Anschluss wie etwa auch der Anschluss an die Kanalisation vorgängig mit zu planen und zu gewährleisten.     

Die Stärkung einer gemeinschaftlichen Mobilität ist neben dem Umweltverbund und der Verkehrsvermeidung die dritte Säule der Mobilitätswende. Dieser Begriff beinhaltet für uns Vorhaben und Projekte, bei denen sich Bürger*nnen zusammenschließen, um ihre Mobilität gemeinschaftlich zu organisieren. Außerdem gehören dazu auch alle diejenigen Ansätze, die ihr Geschäftsmodell an einer sharing-economy ausrichten. Gemeinschaftliche Mobilität reicht also von Kleinstprojekten wie den sogenannten Mitfahrbänken über Mitfahrgelegenheiten im eigenen Pkw und von Ehrenamtlichen gefahrenen Dorf-Autos bis hin zu kommunal organisierten sowie kommerziellen Car-Sharing und Bike-Sharing Angeboten.  Also der vielgestaltige Ansatz des „Mobility as a Service“. Derartige Initiativen und Projekte müssen von staatlicher Seite unterstützt und gefördert werden, insbesondere in den ländlichen Räumen. Durch die Digitalisierung eröffnen sich neue Möglichkeiten Sharing-Angebote zu entwickeln und miteinander zu vernetzen.

Konkret braucht es dafür zum Beispiel eine Beratung von Kommunen zur Entwicklung eigener Mobilitätsangebote wie einem Dorf-Auto und der gezielten Förderung von Vereinen und Initiativen, die ein öffentliches Lastenrad oder ein Bürgerbus vor Ort etablieren wollen.

Doch nicht nur mit Menschen können wir die Verkehrsmittel teilen: Kombibusprojekte, wie einzelne Landkreise in Brandenburg sie bereits haben, nutzen die Kapazitäten des öffentlichen Verkehrs zusätzlich für den Warentransport. Damit entsteht einerseits eine Möglichkeit, kleine Frachtmengen überall dort kostengünstig und taggleich zuzustellen, wo es für herkömmliche Logistikdienstleister aufgrund von geringer Bevölkerungs- und damit Auftragsdichte unwirtschaftlich wird. Auf der anderen Seite bekommt der Öffentliche Verkehr ein zusätzliches finanzielles Standbein, so dass auch Linien mit wenig Personenverkehr finanzierbar werden und regelmäßig gefahren werden können. Solche Kombibusprojekte möchten wir in Sachsen-Anhalt auf den Weg bringen.


5. Nachhaltige Mobilität von Anfang an

Wenn wir uns zum Ziel setzen, nicht nur die Mobilitätsbedingungen, sondern auch die Mobilitätskultur und die individuelle Mobilitätskompetenz zu befördern, so müssen wir früh damit beginnen.

Schon unsere Kinder brauchen eine Mobilitätsbildung, die über klassische Verkehrserziehung hinausgeht. Diese erschöpft sich bisher meistens darin, vor den Gefahren des PKW-Verkehrs zu warnen und den Umgang mit dem Fahrrad zu schulen. Neben solchen Fragen der Verkehrssicherheit sind in Zukunft auch ökologische Aspekte und der Umgang mit intermodalen Wegeketten zu vermitteln. Insbesondere Schulungen zu ökologischen Fahrweisen im Pkw-Bereich sind für alle Bedienstete in den Behörden des Landes anzubieten.

Auch ein Gespür für ein gutes Miteinander im öffentlichen Raum ist stärker in den Fokus zu nehmen. Das erleichtert nicht nur gemeinschaftliche Mobilität, sondern ist auch gut für das Verantwortungsbewusstsein und damit für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden. Insbesondere bei der Einführung neuer Mobilitätslösungen ist immer auch daran zu denken, dass der Umgang damit von den Menschen erst erlernt werden muss. Eine gute Mobilitätsbildung nimmt daher alle Altersklassen in den Blick.


6. Mobilität, die alle mitnimmt – Barrierefreiheit

Eine der wichtigsten Anforderungen an die Mobilität der Zukunft ist, dass sie niemanden ausschließen darf. Unsere Mobilitätsgarantie zielt auf eine Mobilität für alle. Die Verkehrsmittel und Zugangseinrichtungen (zum Beispiel Bahnsteige) als auch die Planungs- und Buchungsmöglichkeiten sind entsprechend barrierefrei zu gestalten.

Die vollständige Umsetzung der Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr fällt in den Bereich der Grundversorgung der Bürger*nnen. Dem wird unser ÖPNV bislang noch nicht gerecht. So fehlt zum Beispiel oft die Möglichkeit, mit Rollstuhl oder Rollator, ja, auch schon mit dem Kinderwagen oder größeren Koffern, selbstständig ein- oder auszusteigen. Barrierefreie Bahnhöfe im Regionalverkehr und barrierefreie Haltestellen im ÖPNV sind daher bis heute in der Minderheit. Hier haben das Land und die Kommunen ihre Anstrengungen deutlich zu steigern. Das bisher spärlich genutzte Haltestellenprogramm zur Schaffung von Barrierefreiheit im ÖPNV ist entsprechend weiterzuentwickeln. Dafür wollen wir beginnend eine klare Zeitschiene für die landesweite Erfassung barrierefreier Haltestellen. Deren Erfassung muss kurzfristig erfolgen und von Landesseite unterstützt werden. Darauf aufbauend ist eine Beauskunftung barrierefreier Reiseketten samt Anschlusssicherung zu entwickeln. Auch dies hat zeitnah zu geschehen.

Auch hohe Kosten können Menschen von Mobilitätsangeboten ausschließen. Eine sozialverträgliche Preisgestaltung ist daher gerade im öffentlichen Verkehr unerlässlich. Daher wollen wir ein flächendeckendes Kinder- und Jugendticket einführen. Denn gerade die Mobilität der jungen Generation ist sozialverträglich zu gestalten. Die Schüler*innentickets, das Schülerferienticket und das Azubiticket sind daher zu einem einheitlichen Ticket für alle jungen  Menschen im Land zu vereinheitlichen. Damit legen wir auch den Grundstein für eine Mobilitätsbildung im Sinne des Umweltverbundes.


7. Mobilität als Querschnittsaufgabe

obilitätspolitik hat Auswirkungen auf nahezu jedes andere politische Feld. Sie kann daher nicht nur in einem Ressort stattfinden, sie ist vielmehr eine Querschnittsaufgabe, die viele politische Handlungsfelder betrifft.

Um dieser Sachlage gerecht zu werden, braucht das Land als ersten Schritt ein Mobilitätsministerium, das federführend mit der Umsetzung der Mobilitätswende betraut ist. Zusätzlich wollen wir eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Mobilität sowie einen breit besetzten Mobilitätsbeirat. Einen solchen Fachbeirat sehen wir als Startpunkt, um mit Beginn der kommenden Legislatur ein zukunftsweisendes Mobilitätsgesetz flankiert von einem Landesmobilitätskonzept samt Benennung klarer Zielstellungen zu erarbeiten.


8. Regelungspunkte im Grünen Mobilitätsgesetz

Zusammengefasst wollen wir folgende Aspekte gesetzlich normieren:
  • Selbstverpflichtung des Landes: Nachhaltige Mobilitätsgarantie
  • Zielstellung: Vorrang des Umweltverbundes / Mobilitätswende / Vision Zero
  • Einführung Verkehrsmonitoring
  • Planungsgrundsätze im Rahmen des Umweltverbundes
  • verlässliche finanzielle Förderung von Radwegen
  • Definition und Förderung von Radschnellwegen
  • verbindlicher Bau von überdachten Radabstellanlagen und Öffnung der Pflicht zum Bau von PKW-Stellplätzen bei Bauvorhaben
  • Zuweisung der Baulastträgerschaft an das Land für bundes- und europaweit bedeutsame Radwege
  • verlässliche und dynamisierte Förderung des ÖPNV samt vollständiger Nutzung der Regionalisierungsmittel
  • Förderung von Mobilitätsstationen
  • Stärkung der ÖPNV-Erreichbarkeit als zentrales Kriterium von Zentralen Orten im Landesentwicklungsplan
  • Ausweisung von Tempo 30 Zonen erleichtern
  • Gesetzliche Ermöglichung der Ausweisung kommunaler Flächen für Car-Sharing Angebote und Aufstellung Kriterienkatalog für Ausschreibungen
  • Schaffung einer kommunalen Hoheit im Bereich Parkraumbewirtschaftung
  • Hälftige Förderung kommunaler Mobilitätsberater*innen