Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten (KEF) hat mit ihrem Bericht vom Februar 2020 empfohlen, ab 2021 für die nächsten vier Jahre den monatlichen Rundfunkbeitrag pro Haushalt um 86 Cent von 17,50 Euro auf 18,36 Euro anzuheben. Nach Beschlussfassung über die Erhöhung durch die Ministerpräsidentenkonferenz muss diese nun gesetzlich verankert werden. Alle Landesparlamente müssen dem ersten Medienrechtsänderungsstaatsvertrag bis 31. Dezember 2020 zugestimmt haben, ansonsten tritt er nicht in Kraft. 15 Landesparlamente haben bereits zugestimmt. In Sachsen-Anhalt hat allerdings Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff am 08. Dezember 2020 die Vorlage zum Staatsvertrag im Alleingang zurückgezogen. Damit konnte es nicht mehr zur Abstimmung im Landtag kommen. Hintergrund dafür war, dass die CDU-Fraktion die Anpassung ablehnt. Damit stellt sie sich gegen ihre Koalitionspartner SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Mit dieser Entscheidung des Ministerpräsidenten wurde die Anpassung des Rundfunkbeitrags bundesweit gekippt.
Was ist bisher passiert?
- 12.03.2020: Sachsen-Anhalt enthält sich bei der ersten Beratung mit den Ministerpräsident*innen als einziges Bundesland. Vorunterrichtung der Landtage ist erfolgt.
- 05.06.2020: der Ausschuss für Bund, Europa und Medien im Landtag von Sachsen-Anhalt gibt keine gemeinsame Stellungnahme ab
- 12.06.2020: Der Landtag von Sachsen-Anhalt debattiert über die Vorunterrichtung zum Staatsvertrag, ohne einen Beschluss zu fassen. Dadurch kann der Vertrag von den Ministerpräsident*innen unterschrieben werden und das parlamentarische Verfahren in allen 16 Bundesländern beginnen.
- 17.6.2020: Ministerpräsident Reiner Haseloff unterschreibt den Vertrag. Anschließend beschließt das Kabinett die Einbringung des Gesetzentwurfes. Damit ist der Weg frei für die parlamentarische Beratung.
- 09.09.2020: Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag.
- 13.11.2020: Anhörung der Intendant*innen im Ausschuss für Bund, Europa und Medien
- 02.12.2020: Weil es keine Einigung der Koalition gibt, wird der Ausschuss für Bund, Europa und Medien auf Betreiben von SPD und Grünen unterbrochen. Er hätte am 09.12.2020 fortgesetzt werden, um eine Beschlussempfehlung zur Abstimmung im Landtag zu beschließen.
- 08.12.2020: Ministerpräsident Reiner Haseloff zieht im Alleingang die Regierungsvorlage zum Staatsvertrag zurück. Damit ist das Verfahren beendet, ohne, dass es zur Abstimmung im Parlament kommt.
Was sagen wir zu dem Vorgehen vom Ministerpräsident Haseloff?
Ministerpräsident Reiner Haseloff hat dem Kabinett am 08. Dezember 2020 mitgeteilt, dass er die Regierungsvorlage zum Rundfunkstaatsvertrag zurückzieht. Dies war seine alleinige Entscheidung. Es gab zwischen uns und der CDU keine Einigung in der Sache und keinen Kompromiss. Dieses Ergebnis ist nicht das, wofür wir eingetreten sind.
Die CDU geführte Staatskanzlei mit Rainer Robra und Reiner Haseloff hat alle Medienstaatsverträge ausgehandelt und unterschrieben. Für Sachsen-Anhalt hat Landesrechnungshofpräsident Kay Barthel, welcher der CDU angehört, die Anpassung des Rundfunkbeitrags in der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) mit beschlossen. Trotzdem ist es dem Ministerpräsidenten nicht gelungen, in der eigenen Fraktion eine Mehrheit für einen Staatsvertrag zu erzielen, den er selbst unterzeichnet und ins Parlament eingebracht hat. Das ist eine direkte Folge der desaströsen Verfassung der CDU. Die Fliehkräfte innerhalb der CDU sind enorm, der Machtkampf um den Kurs tobt. Die CDU hat diesem Land großen Schaden zugefügt. Sachsen-Anhalt ist bundespolitisch isoliert, die Folgen noch nicht absehbar.
Wir haben immer für die moderate Anpassung geworben, weil sie die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umsetzt. Das ist gerade in Pandemiezeiten, in denen sich die Bedeutung des ÖRR für eine unabhängige, staatsferne Berichterstattung als Grundversorgung erweist, wichtig. Es wird nach erwartbaren und berechtigten Klagen der Anstalten jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Wie stehen wir zur Anpassung der Rundfunkgebühr?
Wir halten den Anstieg um 86 Cent pro Monat und Haushalt für moderat und angemessen. Die Anpassung sichert die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Beitrag ist in den vergangenen elf Jahren nicht gestiegen und sogar einmal gesenkt worden. Die Erhöhung um 4,9 Prozent ist geringer als die Inflationsrate in dieser Zeit. Laut einer repräsentativen Umfrage spricht sich die Mehrheit der Sachsen-Anhalter*innen dafür aus, dass der Landtag die Anpassung des Rundfunkbeitrag zustimmt.
Im Koalitionsvertrag war die Rede von Beitragsstabilität. Warum sind wir dann für die Anpassung?
Im Koalitionsvertrag haben wir einerseits vereinbart, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fit für die Zukunft zu machen. Und wir haben uns zur Beitragsstabilität verpflichtet. Ein Einfrieren auf 17,50 Euro ist im Koalitionsvertrag nicht vereinbart.
Zur Stabilität haben wir uns auch im Bereich der Kommunalfinanzen verpflichtet. Hier haben wir als Koalition insgesamt fast eine Milliarde Euro zusätzlicher Finanzierung bereitgestellt.
Wie stehen wir zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Wir bekennen uns zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen Finanzierung über den Rundfunkbeitrag. Die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender mit ihren dazugehörigen Online-Angeboten liefern Fakten, abseits vom Quotenhype und Mainstream, durch welche sich jeder ungehindert unterrichten und eine Meinung bilden kann. Des Weiteren soll er zuverlässige Information und vielfältige Meinungen anbieten, die sich an alle Regionen, Schichten und Altersgruppen richtet. Die öffentlich-rechtlichen Sender sichern die Demokratie, da die Berichterstattung sowohl politisch als auch finanziell unabhängig ist.
Was passiert jetzt?
Der Rundfunkbeitrag wird zunächst nicht erhöht. Dem System eines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde enormer Schaden zugefügt. Allein der MDR müsste kurzfristig 165 Millionen Euro im laufenden Betrieb einsparen. Das entspricht dem Budget eines der drei Landesfunkhäuser in Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Thüringen. Damit wird eine starke und vielfältige Stimme des Ostens leiser. Aber auch anderen Rundfunkanstalten werden sparen müssen. Es wird zu programmatischen Einschnitten und Stellenabbau kommen. Der Ausbau der wichtigen Barrierefreiheit steht in Frage, die überlebenswichtige Digitalisierung kommt langsamer voran.
Auch für das Land Sachsen-Anhalt ist der Schaden enorm. Die Aufbauarbeit, die in den vergangenen zehn Jahren im Bereich der Filmwirtschaft geleistet wurde, wird zunichte gemacht. Das trifft insbesondere die Filmbranche, die sich in Halle (Saale) etabliert hat. Die geplante Kulturplattform der ARD-Anstalten, die in Halle (Saale) angesiedelt werden sollte, wird mutmaßlich nicht umgesetzt.
Auch die Landesmedienanstalten verlieren ihre finanzielle Spielräume. Im Konkreten bedeutet das, dass sie ihre Aufgabe wie die Vermittlung von Medienkompetenz, nicht mehr adäquat erfüllen können.
Die Rundfunkanstalten haben gegen ihre Unterfinanzierung beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Mit großen Erfolgsaussichten, denn das Verfassungsgericht hat in seinen bisherigen Entscheidungen auch die finanzielle Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stets hochgehalten. Eine Niederlage vor Gericht wäre ein Debakel für Sachsen-Anhalt, denn sie könnte Schadensersatzansprüche von anderen Bundesländern auslösen.
Warum haben wir die Koalition nicht verlassen?
Unter normalen Umständen wäre der Moment gekommen, die Koalition zu verlassen. Derzeit sind aber keine normalen Zustände. Die Corona-Pandemie in Sachsen-Anhalt spitzt sich von Tag zu Tag dramatisch zu. Wir haben eine CDU, die offen ist für den Einfluss der AfD. Und eine AfD, die permanent daran arbeitet, die Demokratie von innen durch Destruktivität und Chaos auszuhöhlen.
In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz handlungsunfähigen CDU überlassen – und erst recht nicht einer rechtsextremen AfD. Wir halten es aus demokratischer Verantwortung für notwendig, in der Pandemie eine handlungsfähige Regierung zu gewährleisten, erst recht, wenn die CDU selbst nicht mehr handlungsfähig ist.
Wie wird der Rundfunkbeitrag ermittelt?
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) arbeitet unabhängig. Sie überprüft den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland fortlaufend. Das bedeutet, die KEF ermittelt, mit wie viel Geld die Rundfunkanstalten auskommen müssen, um ihren gesetzlichen Auftrag (Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung) zu erfüllen. Die KEF ermittelt auch Entwicklungs- und Einsparpotenziale. Ihre Empfehlung ist grundsätzlich bindend. Von ihr kann nur in engen Grenzen abgewichen werden. Eine solche Abweichung haben die Verhandlungen aller 16 Staatskanzleien und der Ministerpräsidenten nicht erbracht. Es gibt also keinen sachlichen Grund, nun isoliert in Sachsen-Anhalt den Vertrag abzulehnen.
Warum hat die KEF jetzt eine Erhöhung empfohlen?
Die öffentlich-rechtlichen Sender hatten ihren Mehrbedarf für die Jahre 2021 bis 2024 auf drei Milliarden Euro beziffert. Dies hätte einem Rundfunkbeitrag von monatlich 19,20 Euro entsprochen. Nach Prüfung hat die KEF nur eine Erhöhung um 1,5 Milliarden Euro ausgesprochen. Das entspricht einem Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro monatlich. Die Mehrkosten haben ihre Ursache wesentlich in der allgemeinen Preisentwicklung, den Tarifabschlüssen für die Mitarbeitenden und in notwendigen Investitionen für die Digitalisierung.
Können die öffentlich-rechtlichen Sender nicht einfach Geld einsparen, anstatt mehr Geld zu kriegen?
Da die KEF nur die Hälfte des angemeldeten Bedarfes anerkannt hat, werden die öffentlich-rechtlichen Sender weitere Sparmaßnahmen umsetzen müssen. Wir sind mit den Intendant*innen im Gespräch und sie haben uns glaubwürdig und klar gezeigt, wie sie Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen bereits umsetzen und weiter umsetzen wollen. Dazu gehören Reformen bei der betrieblichen Altersversorgung mit dem Effekt einer geringeren Belastung in zehn Jahren, den Austausch von Beiträgen zwischen den Sendungen (z.B. Wissenschaftssendungen) sowie die Kooperationen und Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Mediathek). Sie haben zudem bereits Stellen abgebaut.
Der bisher eingeschlagene Weg der Sendeanstalten zeigt Wirkung, er muss aber konsequent fortgeführt werden. Insbesondere die Überlegungen zum Ausbau digitaler Angebote und deren Finanzierung innerhalb der Sendeanstalten selbst zu stemmen, findet unsere Anerkennung. Wir erwarten, dass der Beitrag auch in Zukunft stabil bleibt.
Wie stehen wir zu den Gehältern der Intendant*innen?
Wir wollen die Gehälter der Intendant*innen und der Direktor*innen an im öffentlichen Dienst gewährte Versorgung anlehnen. Da der MDR-Staatsvertrag in unserem direkten Einflussbereich liegt, haben wir versucht, eine Gehalts-Deckelung in der Novelle des MDR-Staatsvertrag zu verankern. Die CDU hat dies abgelehnt. In den letzten Verhandlungen haben sich weder Markus Kurze, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion noch Kulturminister Rainer Robra inhaltlich tiefer eingebracht. Das zeigt, dass sie nicht wirklich an einer Lösung interessiert sind, im Gegensatz zu ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit.
Warum müssen alle Haushalte den Rundfunkbeitrag zahlen, obwohl sie möglicherweise die öffentlich-rechtlichen Sender nicht nutzen?
Beim Rundfunkbeitrag handelt es sich um ein Solidarmodell, zu dem alle finanziell beitragen. Der Rundfunkbeitrag gewährleistet, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine gesellschaftliche Aufgabe unabhängig und staatsfern erfüllen kann.
Um Unabhängigkeit von der Politik zu gewährleisten, handelt es sich um einen direkten Beitrag und nicht um eine Steuer. Politik soll keine Möglichkeit haben, nach Gefallen den Geldhahn auf- oder zuzudrehen. So wird Demokratie und Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesichert.
Was passiert, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Lage jemand den Rundfunkbeitrag nicht bezahlen kann?
Menschen, die bestimmte Sozialleistungen erhalten, wie zum Beispiel Arbeitslosengeld II, können sich von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen. Auch bei weiteren Härten wie die Corona-Pandemie kann eine Beitragsbefreiung in Anspruch genommen werden.